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Nachlese zum ersten PERLENFEST

15. Oktober 2009

Am Samstag, den 10. Oktober 2009, haben wir endlich unsere erste offizielle Verlagsparty veranstaltet. Wir haben damit vielleicht so lange gewartet, weil wir im Bermudadreieck der Berliner Bohème wischen Kastanienallee, Schönhauser Allee und Lychener Straße  sowieso immer mitten in einer Nonstop-Party leben und arbeiten. Aber diesmal war es etwas anderes, das haben wir schnell gemerkt. Eingeladen hatten wir in meine Wohnung in der Hufelandstraße. Ich wohne seit 1993 im Bötzowkiez, gleich neben dem Volkspark Friedrichshain. Hier fühle ich mich zum ersten Mal zuhause in Deutschland. So sehr, dass ich letztes Jahr, das ich mit dem Executive Training Programm der Europäischen Kommission fast ganz in Tokyo verbracht habe, etwas zu spüren bekam, das ich bisher gar nicht kannte, nämlich echtes Heimweh.

Am Freitag vor dem Fest fuhren Ira Schneider, der Videokünstler aus New York, unsere Pressefee Christine Magdalene Noll und ich zum Einkaufen auf einen türkischen Markt im Wedding, gleich neben dem Gesundbrunnenzentrum. Das war ein Erlebnis! Diese Riesenauswahl, Qualität, Frische und vor allem die niedrigen Preise waren ziemlich überwältigend. Nun, unser politisch unkorrekter Ex-Finanzsenator Thilo Sarrazin würde wahrscheinlich mürrisch ergänzen, das sei ja wohl kein Wunder, wenn die Berliner Gemüsehändler keine Steuern zahlen. Wir kamen jedenfalls vollbeladen zurück und fingen gleich mit dem Kochen an. Um Mitternacht war das meiste vorbereitet.

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Christine und Ira bei den Vorbereitungen

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Das Ergebnis unserer ungeschriebenen Speisekarte:

  • Grünkohl mit Pinkel, der traditionellen Grützwurst, Schweinebauch und Kabanossi
  • Frittierte Hühnerflügel, und zwar fünf Kilogramm davon
  • Chicoree mit Schinken und altem Gouda überbacken in dunkler Biersauce
  • Hühnerkeulen gebacken mit Honig und Ingwer
  • Paccheri a la Reginaldo, die dickste italienische Nudelart – cottura 15 min – mit einem starkem, pikanten Sugo aus Zucchini, Auberginen, Kapern, Sardellen, grünen & schwarzen Oliven, Knoblauch und Pepperroni.
  • Häckerle vom frischen Matjeshering mit Apfelstücken
  • Ostpreußischer Kartoffelsalat mit Bouillon, Cornichons, Zwiebeln, Petersilie und viel, viel Mayonnaise
  • Spanischer Kartoffelsalat mit frischem Knoblauch und großblättriger Petersilie  in Zitronensaft
  • Pikante Avocadocreme
  • Thunfischpastete mit Zwiebeln, Kapern und Mayonnaise
  • Marokkanischer Couscous-Salat
  • Indonesischer Nudelsalat mit Shrimps und frischer Ananas
  • Eine Riesenschale Tzaziki mit viel Knoblauch
  • 25 frische Baguette

Am Samstag um Punkt sechs war alles fertig. Dann passierte die Katastrophe. Als gerade die ersten Gäste hereinkamen, brach vor unseren Augen mit einem riesigen Krach der mit allen Gerichten vollbeladene Tisch zusammen! Da hatten wir dem Tapeziertisch wohl doch zu viel zugemutet. Wir standen zuerst da wie angewurzelt im kollektiven Herzstillstand. Dann schalteten wir doch schnell, sprangen auf den Ground Zero in unserer Küche und retteten alles, bevor die Gerichte sich vermischen konnten. Das war knapp. Bis auf die ersten Gäste hat niemand etwas davon mitbekommen.

Gäste2kleinEs wurde dann auch ziemlich schnell voll.

Wir hatten unsere Gäste zwar ab 18.00 Uhr eingeladen und auch ermutigt, früh zu kommen. Doch wer hätte in Berlin damit gerechnet, dass Leute tatsächlich schon ab 18.00 Uhr kommen?! Wir waren auch überrascht und haben uns gefreut, wie viele Leute mit ihren Kindern gekommen sind. Sogar ein kleiner, gut gelaunter Hund namens Tim lief  allen zwischen den Beinen herum.

Rekord!
Wir haben von unserem Partner Braumeister e.V., dem Verein unabhängiger Brauereien, mit dem wir viel zusammen erlebt und angestellt haben in den vergangenen zwei Jahren, exzellente Biere von kleinen, handwerklichen Brauereien bekommen. Das waren zwei Kästen Distelhäuser, zwei Kisten Alpirsbacher, eine Kiste Leibinger und eine Kiste Schneider Weisse. Dazu kamen 64 Flaschen Wein aus unseren Beständen und von den Gästen. Es wurde alles ausgetrunken!

Nach einer kurzen Ansprach von Harald Steinhausen las unser erster Autor des Abends, Joachim Bohnert, aus seinem noch unveröffentlichten Manuskript Koks. Joachim Bohnert ist unsere literarische Geheimwaffe, ein philosophierender und musizierender Nonkonformist, der leidenschaftlich gegen die Gedanken-, Witz- und Sprachlosigkeit der deutschen Gegenwartsliteratur anschreibt. Sein vielfältiges und rasant wachsendes Werk stellt uns als jungen Verlag vor editorische Herausforderungen, denn er schreibt schneller als wir drucken können. Doch wir sind entschlossen, diesen Autor – möglicherweise eine humorvolle Wiedergeburt Heinrichs von Kleist – als das bekannt zu machen, was er ist: eine der raffiniertesten und heißesten Federn deutscher Sprache. Im Perlen Verlag ist von ihm bisher erschienen: das monarchomachische Theaterstück  Carlos. Szenen aus dem Leben des Infanten mit faszinierenden Bleistiftzeichnungen von Johannes Grützke;  Krimi, die satirische Dekonstruktion des ganzen Genres; die Ausreißernovelle See- und Bruchstücke nach Art des Johannes Chrysostomus Hochstetter; das düstere Kinderbuch Daniels Abreise. Und was wäre zu Koks zu sagen? Es ist eine ganz neue Gattung, ein Rezensionsroman. Und die Handlung? Ein gewisser Holger Treffeysen konnte seinen ersten Roman mit dem Titel Koks vor dem frühen Ableben nicht mehr fertig schreiben. Macht nichts. Dafür wird die Rezension dieses unfertigen Manuskripts ein Roman, eine funkelnd bösartige Abrechnung mit dem deutschen Literaturbetrieb. Bohnerts hinterlistiger Humor läuft hier zur Hochform auf, indem er einfach die dümmsten Rezensionstexte aus verschiedenen Zeitungen zusammenschneidet und für sich sprechen lässt.

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Der Journalist und Schriftsteller Alexander Osang, unser Autor Joachim Bohnert, im bürgerlichen Leben ein Professor für Strafrecht und Rechtsphilosophie, und Christine Noll, von der zu diesem Zeitpunkt auch klar war, dass sie das Geburtstagskind des Abends ist

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Aufruf zur nächsten Veranstaltung

Chris an der TechnikkleinUnser Vertriebs- und Marketingmann Chris Claussen an der Technik

Reginald_Jan HesskleinMit meinem alten Japan-Reisefreund und Serial Entrepreneur Jan Michael Hess von Mobile Economy GmbH und adbento, einem frisch gegründeten „consumer recommendation network“

Als nächstes war das erste Video von Ira Schneider dran, eine zehnminütige Aufnahme von 1984 unter dem Titel A Weekend on the Beach with Jean-Luc Godard, in dem auch zwei damals noch weniger bekannte Personen sich am Strand von Californien tummelten, nämlich Heiner Müller und Wim Wenders. Das zweite Video war dann etwas mehr Hardcore, nämlich ein 40-minütiges Interview mit dem genialen amerikanischen Architekten, Erfinder und Philosphen Buckminster Fuller von 1970, ein „rap on the history of civilization & ecology“. Er war der Mann, der Mitte der fünfziger Jahre den Ausdruck Raumschiff Erde prägte.

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Bucky Fuller vor einer seiner berühmten Kuppellkonstruktionen

Trixi4kleinDaniela und die fabelhafte  Trixi, die viele der Photos hier geschossen hat

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Zwischendurch immer wieder einmal ein Abschied. Wir hatten insgesamt über 80 Gäste.

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Animal InternationalkleinDer Schauspieler und Sänger Matthias Kopetzky mit der Band Animal International und ihrem Kästner Projekt

Anja Osang_Markus SchäferkleinAnja Osang von der Berliner Zeitung und der Regisseur Markus Schäfer

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Hinten sucht der Schriftsteller, Islamwissenschaftler und Übersetzer Stefan Weidner , mit dem wir im Sommer ein wirklich großartige Veranstaltung im Haus der Kulturen der Welt zu unserer Veröffentlichung Kritik der arabischen Vernunft gemacht haben, etwas in dem Chaos der Küche.

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Klar, ab einem gewissen Punkt wird die Sache unübersichtlich…

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Utzi hat tatsächlich ein nicht-alkoholisches Getränk gefunden

Vanessa_Leaklein Unsere Praktikantin Vanessa und Lea Dittbrenner vom Multimediaprojekt Watch my City und von unseren Partnern Braumeister e.V.

Christine_HaraldkleinChristine Noll und Harald Steinhausen

Reginald_HaraldkleinDie Verleger Regi and Harry on a tough party job

Antje_Mihyun SonAntje, die Galeristin Mihyon Son aus Südkorea und Julie

Dann kam noch der letzte Programmpunkt, die Lesung von Alem Grabovac aus seinem illustrierten Roman Der 53. Brief mit einem eigenen Hörspiel. Worum geht es?

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Der Kulturjournalist Malik schreibt aus der Zehn-Millionen-Metropole Atopos an seine Ex-Geliebte Stella in Berlin, mit der er eine dreijährige Trennungsphase vereinbart hat. Doch die Briefe schickt er nie ab.

Die Themen dieser Briefe sind Maliks Erfahrungen in diesem Paralleluniversum, wo er einerseits als Prostituierter die sexuellen Wünsche seiner Kundinnen kennen lernt, andererseits philosophische und dichterische Zitate der Liebesliteratur seit der Antike sammelt, mit denen er eine Liebesillusion am Leben erhält. Die Briefe des Malik zeichnen das traurig-komische Portrait eines modernen Städters und halbgebildeten Bohemiens, der zerrissen von Ängsten und unfertigen Reflexionen zu keiner echten Liebe fähig ist. Und doch hat er faszinierend tiefsinnige Momente, denn im Widerspruch zu seinem narzisstischen Charakter stehen seine lyrischen Naturbeobachtungen, die feinsinnigen Profile seiner weiblichen Freier und eine raffinierte Psychologie der männlichen Prostitution.

Malik macht gelegentlich Photos und Tonaufnahmen mit seinem Diktiergerät, die irritierend abweichen vom Inhalt der Briefe und so die blinden Flecken von Maliks Selbstwahrnehmung beleuchten. Selina Schwank hat der Halbrealität von Atopos und Maliks Eindrücken mit ihren Photos ein monochromatisches Auge eingesetzt. Christian Eckert, Harald Steinhausen und Irek Szumlanski haben aus den Tonbandaufzeichnungen das Hörspiel Maliks Tapes gemacht und erweitern den Briefroman damit um eine neue Dimension des literarischen Erlebens.

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Alem Grabovac

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Das Hörspiel läuft, hier kann man reinhören

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Es war ein schöne Fügung, dass zu dieser Lesung von Alem Grabovac ausgerechnet die Bestsellerautorin mit dem Pseudonym Sonia Rossi, die mit ihrem Buch Fucking Berlin bekannt wurde,  in privatissimo zugegen war – weshalb wir auch nur dieses Pressefoto von ihr zeigen. Hier eine spannende Besprechung ihrer Autobiographie als Studentin und Teilzeit-Hure in der BRIGITTE.

DieDrei1Die drei Grazien Anna, Katy und Melli von der Agentur Stadtmuster, mit der wir die Lange Nacht des Buches planen, bei der fast alle Autoren des Perlen Verlags lesen werden.

DieAnderenDrei

DieZwei

Ira SchneiderkleinIra Schneider

AfterParty1kleinAfter the party

Christine2kleinJetzt kann sich auch Geburtstagskind Christine endlich entspannen

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Torsten, Massimo und Silvano von Animal International spielen dann noch ein bisschen für uns in der Küche – bis um 6 Uhr morgens

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